gleich vorweg: der heutige post ist in seiner verbalen ausladendheit ganz und gar unulmaesk. wenn sich die (der?) ein oder andere dennoch die zeit nähme, ihn zu lesen, würde ich mich aber freuen. und ich verspreche auch: das bleibt jetzt nicht so. gedankenstromausnahme.
in der frühlinsbrise durch die stadt spazierend bleibt mein blick an der
buchhändlerauslage hängen und meine augen betasten - tipptipptipp - die rund
zwanzig darin ausgestellten bücher, die sich allesamt der doityourselferei
widmen. es ist ein bisschen wie mit den eichhörnchen im stadtpark: erhasche ich
im schauen eines dieser lieben tierchen, wie es von ast zu ast springt, hüpft
eine freudige aufgeregtheit in mir kreise; kommt ein zweites dazu, entsteht ein
fröhlicher pas de deux; ab dem dritten beginnt sich das tanzschrittgekitzel
aber zunehmend zu einem getrampel zusammenzuknüllen und ein sonderbares
unbehagen keimt auf; ab sieben spätestens will ich schließlich nur noch weg von
den viechern – sie machen mir angst.

stricken, falten, drucken, filzen, nähen, töpfern, tischlern, häkeln,
... selbst ernannte bibeln, die zeigen, wie es geht, thronen auf kleinen
podestchen und unterstreichen ihre vielversprechendheit in allen denkbaren
farben um die wette. mir wird ein bisschen schlecht, würde ein genazino-protagonist
wohl sagen. und dieses unwohlsein plumpst mir mitten in einen
gedankengutblumentopf, dessen dort vergrabene zwiebeln die nicht zuletzt ob
ihrer intellektuellen anstöße und einwürfe in die bloggemeinschaft, in der ich
mich hier im virtuellen raum vornehmlich bewege, von mir so geschätzte
indre mit ihrem gescheiten
"DON'T
DO IT YOURSELF - oder: Das Unbehagen an der Kreativität"-beitrag
bewässert und zum lossprießen animiert hat.
ja, es ist mir irgendwie auch ein bisschen unheimlich, manchmal sogar
zuwider, dieses allesselbermachen(können(wollen)), dieses biedermeier 2.0, als
das es mir mit seinem angesichts des zeitpunkts seines auftretens im aktuellen
politischen und ökonomischen kontext oft leicht reaktionären beigeschmack
erscheint, in dem wir uns seit ein paar jahren befinden. und wenn mir dann
jemand mit weltverbesserischen thesen als diy-fundament daherkommt, tun sich
bei mir doch einige zweifel auf. an dieses vorgeblich rebellische, das jedem
autarkiebestreben per se innewohnt, glaube ich in diesem zusammenhang ganz
einfach nicht. es wird ausnahmen geben, hardcorediyer; aber als breitenphänomen
trieft die selbermacherei geradezu vor systemtreue: selbermachen ist hip, also
wird
(auch weil wir ja alle so individuell sind
also um dieses individuelle hochzuhalten und ihm ausdruck zu verleihen, und ja,
kreativ (!) sind wir vor allem) selbergemacht. zu monieren, dass der
motor dahinter rein wirtschaftliches kalkül ist mit dem ziel, einen grandiosen
markt zur evokation und befriedigung neuer falscher bedürfnisse im marcuseschen
sinn zu etablieren, scheint mir keiner besonderen hellsichtigkeit zu bedürfen.
was
mich tatsächlich so irritiert am diy-boom, ist die ihm zugrundeliegende
tatsache unserer ökonomischen instrumentalisierbarkeit, die er uns sinnbildhaft
vor augen führt: solange einigermaßen schlau eingefädelt, lässt sich offenbar
jede geschäftsidee gesellschaftlich institutionalisieren und in fein
abgezirkelten zielgruppen statussymbolhaft zum must-do oder auch must-have
aufplustern. und mindestens ebenso irritierend daran finde ich, dass ich mich
mit meiner selbermacherei plötzlich selber mitten im mainstream wiederfinde.
denn ich liebe es, das selbermachen. dass das seit jeher so ist, ich weniger
auf die diy-welle aufgesprungen bin, als sie vielmehr einfach über mich
drübergeschwappt ist, hebt mich auch nicht auf eine andere stufe. drinnen ist drinnen.
und das hat ja auch durchaus seine vorteile, die ich sehr genieße: material
zuhauf, inspiration allenthalben. und mir davon zu nehmen, was mir
(qualitativ,
quantitativ, moralisch, ökologisch usf.) richtig erscheint, halte ich auch für
kaum kritikabel. denn niemals würde ich behaupten, die selbermacherei mit irgendeinem – womöglich genuin antikonsumistisch unterfütterten – unterminierungsimpetus zu betreiben; um des hipseins willen im übrigen schon
gar nicht. meine beweggründe sind de facto bar jeglichen unmittelbaren
gesellschaftlichen bezugs oder gar sprengstoffs: weil das tun mit meinen händen
für mich einen essenziell sinnstiftenden wert besitzt, weil es mein leben
bereichert, weil es mich ganz einfach glücklich macht, deshalb. und ich bin
überzeugt davon, dass es vielen so geht wie mir, dass das diy-rhizom auch
deshalb so wuchert, weil es etwas trifft in uns, einen leerraum, der nach
ausfüllung lechzt
(dem
fahl-esoterisch-küchenpsychologischen gerede dazu mag ich mich nicht hingeben,
ich denke, das gemeinte ist klar).

ganz bourdieuianerin gefällt mir aber die infragestellung, die sich
diesbezüglich zu regen beginnt, die in der bourdieuschen feldlogik als geradezu
obligater reflex anzusehen ist auf das beinahe orthodox gewordene und sich
allzu oft schon an der kippe zum manierierten befindende, zuweilen sogar schon
gefährlich taumelnde "kreativsein", dem damit hoffentlich der garaus
gemacht wird. was ich nämlich nicht ertrage, ist die inflationäre
"kreativitäts"infiltration allen tuns, genauer noch die omnipräsenz
eines kreativitätsbegriffs, dem etwas abzugewinnen mir nicht gelingen will und
mit dem ich mein tun auch nicht dringend und mehr noch dringend nicht
identifiziert wissen will. mit der baren hervorbringungsbedeutung des
lateinischen
creare (erschaffen, gebären, erzeugen) hat die gemeinhin
gebräuchliche verwendung der wortsipp
e "kreativ",
auf die ich hier rekurriere, kaum etwas am hut, wird damit doch immer auch
etwas "künstlerisches" insinuiert, das bei einem verständnis von
kunst als eines netten zeitvertreibs notwendig zum hundegrab wird. was ich
sagen will: der zugrundeliegenden fehlinterpretation der beuysschen
"jeder mensch ist ein künstler"-saat entsprießen im namen der
"kreativität" mitunter recht verhutzelte blüten. grundsätzlich ist
dagegen ja auch gar nichts einzuwenden, solange menschen ihre freude daran
haben. ebenso wenig einzuwenden dürfte dann aber auch gegen die behauptung
sein, dass ein „kreativitäts“imperativ, der solches generiert, grundsätzlich verzichtbar
ist, weil er uns nicht weiterbringt. mitnichten bedeutet dies aber, dass
kreativität insgesamt überflüssig ist. kreativität als die "Fähigkeit, etwas
Neues zu schaffen“ (barron), als "Antwort oder Idee, die neu ist oder im statistischen Sinne selten" und die dazu dient, "ein Problem zu lösen, einen Zustand zu verbessern oder ein vorhandenes Ziel zu vollenden" (mackinnon),
ist definitiv unverzichtbar für jegliches vorankommen, für das überdentellerrandhinausschauen,
-denken und -gehen, für das finden neuer lösungsansätze und „Wege des
Wirtschaftens und Zusammenlebens“ (
indre z.). zum einen denke ich, ist dieses
beschreiten neuer pfade dem selbermachen gerade dort inhärent, wo herr reckwitz
(wenn ich alles richtig verstanden habe, ich
kann mich nur auf indres worte berufen, da ich den originaltext nicht kenne)
es ihm explizit abspricht: dort nämlich, wo all jene, die mit dem oben beschriebenen „kreativitäts“deformationsattribut
zu versehen einer regelrechten verhöhnung ihres tuns gleichkommt, all jene
vielen leute also, die wirklich gute sachen hervorbringen, den
versuch wagen, mit ihren erzeugnissen ihr täglich brot oder zumindest ihr
täglich salz zu verdienen. eben dieser schritt ist es meines erachtens, der tatsächlich – wenn auch vielleicht nur im allerkleinsten – zu
einem gewissen teil etwas subversives bereithält für die, die ihn setzen: ein selbstbestimmteres
dasein, ein – ganz altbacken-marxistisch gesprochen – weniger entfremdetes tun,
im allerbesten fall etwas mehr glück einfach. davon fehlt mir ein ordentliches
stück, wenn der erwerbslebensalltag meine minuten, stunden, tage frisst, sie
mir wegfrisst von meinem (meinem!) leben. es mag menschen geben, die in
nichtschöpferischen erwerbstätigkeiten voll und ganz aufgehen; ich jedenfalls
gehöre nicht dazu.

zum anderen ist freilich nicht abzustreiten, dass mit dem einbringen welcher
produkte auch immer in das marktwirtschaftliche rad selbiges in schwung
gehalten wird mit uns als fleißig daran drehenden. müßig, altklug zu dozieren,
dass ein soloanlaufen dagegen pure energieressourcenverschwendung ist. ein
glück, dass es menschen gibt, die kreativ im besten barronschen/mackinnonschen sinne sind, die im
lichte der unzufriedenheit mit unserem wirtschaftssystem neue modelle ersinnen
und entwickeln, auf der suche nach gangbaren alternativen entwürfe zu
strukturellen umbauarbeitsideen basteln und all jenen, die liebäugelnde blicke
werfen in richtung einer neuen wirtschaftsordnung, die türen öffnen zur
partizipation. gemeinwohl-ökonomie (kurz gwö) heißt eines dieser modelle und recht klug
denkt es sich an. und eine lanze möchte ich hier brechen für seine verbreitung –
oder drei.
Die Gemeinwohl-Ökonomie beschreibt zentrale Elemente eines
sozialeren, ökologischeren und demokratischeren Ordnungsrahmens für die
Wirtschaft. [...] Dem Dogma der „Alternativlosigkeit“ des gegenwärtigen
Wirtschaftsmodells wird ein konkreter und gangbarer Zukunftsweg entgegengesetzt,
ohne in die historischen Extreme Kapitalismus und
Kommunismus zurückzufallen. [...] Die Gemeinwohl-Ökonomie ist weder das
beste aller Wirtschaftsmodelle noch das Ende der Geschichte, nur ein nächster
möglicher Schritt in die Zukunft. Sie ist ein partizipativer und
entwicklungsoffener Prozess und sucht Synergien mit ähnlichen Ansätzen.
Durch das gemeinsame Engagement zahlreicher mutiger und entschlossener
Menschen kann etwas grundlegend Neues geschaffen werden. (quelle)
die grundidee ist so simpel wie gut: "Die Gemeinwohl-Ökonomie beruht
auf denselben Grundwerten, die unsere Beziehungen gelingen lassen:
Vertrauensbildung, Wertschätzung, Kooperation, Solidarität und Teilen. Nach
aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sind gelingende Beziehungen das, was
Menschen am glücklichsten macht und am stärksten motiviert."
(quelle) wie funktionieren könnte, was so einleuchtend
erscheint und zugleich so unmöglich, ist prägnant gebündelt nachzulesen
in der
Gemeinwohl-Ökonomie
20 Punkte Zusammenfassung, zu der hinzuklicken, die in ein paar
konzentriert-ruhigen minuten gedanklich nachzuvollziehen, ich jedem menschen, dem
unzufriedenheitsbekundung allein zu dampfplauderisch-wirkungslos ist, von
herzen ans herz legen möchte.

den hut zückend vor allen, die tatsächlich bis hierher gelesen haben, mit
hundertausenden kopfwärts im zickzack herumschwirrenden gedanken, hier jetzt
fürs erste aber innehaltend, ach, es ist ein weites feld ... und ich bin gerne
optimistisch.